Nie mehr eine langweilige Minute

Lesen trotz TV und Hollywood?

Nie mehr eine langweilige Minute. Flickr/Sven Graeme/CC BY-SA 2.0
Nie mehr eine langweilige Minute. Sven Graeme/CC BY-SA 2.0

Früher hatte man mir öfters gesagt, ich wäre wie ein Mülleimer – ich würde alles schlucken. Das war dann auf meinen stets grossen Appetit auf leckere Speisen bezogen. Irgendwann kam während meines Studiums eine andere Kategorie hinzu: Bücher. Ich hatte das Paradies der Universitätsbibliothek entdeckt. Und so war es der gewohnte Gang nach der Mensa über die Strasse, um die bestellten Bücher abzuholen – und ein paar wieder zurückzubringen. Damals war das ganze Sortiment der Bücher auf Karteikarten aufgelistet. Jene Nummer musste auf einen Zettel geschrieben werden und konnte dann am nächsten Tag abgeholt werden. Meistens verbrachte ich einmal die Woche mehrere Stunden an den Karteikästen und füllte meine Zettel aus. Häppchenweise gab ich sie ab, wenn ich die bestellten Bücher vom Vortag abholte. Routine. Es war eine Zeit der Suche, was die Welt noch so zu bieten hatte. Gegen Ende des Studiums wurde die Dringlichkeit breit zu lesen noch grösser. Ich wollte doch kein „Fachidiot“ werden.

Sicherlich kam dieses Mülleimer-Dasein nicht von ungefähr. Seit ich lesen gelernt hatte und es zu kindisch war, mit Autos oder Puppen zu spielen, war immer ein Buch in der Tasche. Um genauer zu sein: Wurde ich gedrängt, ein Buch bei mir zu haben. Meine Familie wusste nur zu gut, dass mich schnell einmal die Langeweile überfiel und ich deshalb angehalten wurde, vorzubeugen. Nichtstun oder allenfalls mit den Schwestern streiten war keine Option.

Heute hat das Handy wohl das Buch ersetzt. Lesen ist in vielen Kreisen aus der Mode gekommen. Natürlich nicht die Kurznachrichten oder die Twittermeldungen. Aber das Bücherlesen. Sich in längere Zusammenhänge und Geschichten zu vertiefen ist rar geworden. Wäre das noch immer erstrebenswert? Was bringt’s?
Ich habe hier unten vier Argumente zusammengestellt, warum es immer noch gut ist, Bücher zu lesen – und dies auch unseren Kindern zu vermitteln:

Lesen schärft die Denkfähigkeit. Wenn wir lesen, setzen wir uns mit den Personen in der Geschichte auseinander. Zugleich überlegen wir, wie wohl die Geschichte ausgeht. Was macht die Hauptperson als nächstes? Und der große Unterschied zu Filmen oder zum Fernsehen: Wir erfahren sogar das Denken und die Motivation der Personen in der Erzählung. Wir studieren gleichermaßen das Denken einer anderen Person. Was hat sich der Autor dabei gedacht? Warum schreibt er das so? Unser Denken wird angeregt.

Lesen erweitert unseren Wortschatz. Vielleicht ist das der offensichtlichste Nutzen des Lesens. Als Schülerin hat es mir sicherlich beim Aufsatzschreiben geholfen. Lange Zeit musste ich Übungen zu alternativen Satzanfängen machen – so langweilig. Aber ich wusste damals noch nichts über Sprachentwicklung. Natürlich können wir auch mit Menschen sprechen und so unseren Wortschatz erweitern. Auch Filme und das Fernsehen werden uns neue Wörter vermitteln. Aber wenn wir Bücher lesen, finden wir Wörter, Ausdrucksweisen, Feinheiten, die nicht unbedingt alltäglich sind. Das erweitert dann auch unseren Horizont hinsichtlich unseres Sprachgebrauchs.

Lesen verbessert unsere Urteilsfähigkeit. Ähnliche Ergebnisse ergab die Forschung, wie Information verarbeitet wird, ob wir sie vom Fernsehen aufnehmen, oder lesend. Leser scheinen besser abzuschneiden. Sie sind aktiver. Fernsehen ist komplett passiv. Lesen ist eine Aktivität! Es erfordert das Teilnehmen, wir setzen uns mit dem Inhalt auseinander. Visuelle Unterhaltung plätschert an uns herab und berieselt uns. Vor allem das Lesen von Büchern und Romanen wird uns mehr Disziplin abverlangen und engagiert uns intensiver. Manche Argumente oder Geschichten können eben nicht kurz und schnell abgehandelt werden.

Lesen verändert uns. Manch einer ist frustriert, weil er sich das Gelesene nicht behalten kann. Aber darum geht es nicht immer. Lesen kann uns auch einfach stimulieren. Wir müssen uns danach nicht an alles erinnern. Wir können auch einfach den Moment des Lesens genießen. Und in dieser momentanen Auseinandersetzung stellen wir später fest, werden wir bereits verändert. Es ist eine Veränderung, die nicht sofort offensichtlich ist, aber sicherlich über eine gewisse Zeitspanne. In der Synthese mit dem Alltag entwickeln wir unsere Persönlichkeit.

Aus all diesen Gründen tun wir unseren Kindern und Jugendlichen den größten Dienst, wenn wir sie zum Lesen anhalten und ihnen als Lesende gute Vorbilder sind, damit wir die Fülle des Lebens ausschöpfen können und es nie mehr eine langweilige Minute gibt.

Bis zum nächsten Mal,

Unterschrift Elke
Elke Pfitzer