Der gute Tod
Zum Umgang mit dem schwierigen Monat November
Befremdung befiel mich, als ich diesen Titel auf der vordersten Seite eines Magazins las. Kann Tod gut sein? Dann habe ich zurückübersetzt: Ach ja, es geht um Eu (=gut), thanasie (Tod). Lange Zeit habe ich dieses Thema gewälzt und dazu geforscht. Elisabeth Kübler-Ross hat hier Pionierarbeit geleistet. Um die Organisationen Exit und Dignitas in der Schweiz ist es etwas ruhiger geworden. Aber in der Gesellschaft schlummert dieses Thema knapp unter der Oberfläche und kann jederzeit thematisiert werden.
Früher nannte man den Suizid, Freitod. In heutiger Zeit wurde er zum guten Tod. Der Monat November steht für viele etwas schräg in der Landschaft. Die Sonntage sind geprägt von Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag. Der Herbst ist fast vorbei, der Winter noch nicht da. Es ist keine wirkliche Urlaubszeit und der Advent, mit all seinen strahlenden Lichtern, die uns auf Weihnachten hinweisen, hat noch nicht begonnen.
Wie leben wir in diesem Monat? Können wir mit dem Ende und mit Abschied umgehen? Welche Gefühle herrschen vor? Mehr und mehr begegne ich Menschen, die wünschten, es gäbe diese Tiefenstimmungen nicht, weil sie sie als Verstimmungen erleben.
Was tun?
In solchen trüben Zeiten, zuweilen auch Trauerzeiten, benötigen wir ein aufmunterndes Wort. Wir alle brauchen Ermutigung. Vielleicht können wir in diesem Jahr sogar über uns hinaus schauen und dem „verstimmten“ Kollegen auf die Schulter klopfen.
Der November ist ein Test, zu entdecken, was in einem steckt, wenn es äußerlich (vor allem in der Natur) ruhiger wird. Erst durch eine gute Reflexion werden wir der Situation und unseren Gefühlen ins Auge blicken – und vielleicht sogar neue Strategien entwickeln, wie wir mit der Traurigkeit in uns und um uns umgehen können.
Das ist nicht im Trend unserer Kultur – dessen bin ich mir bewusst. Kollegen von mir haben vor Wochen schon den Weihnachtsverkauf lanciert. Ende Oktober wurde bereits die neue Weihnachtsproduktion vorgestellt. Alles in mir schreit: „Halt!“ Und innerlich bin ich überzeugt, dass wir nicht FROHE Weihnachten feiern können, wenn wir nicht davor Traurigkeit erfahren haben. Positive Gefühle werden erst verstärkt, wenn auch ihre negative Gegenseite erlebt wird.
Deshalb mein Rat für heute: Flüchten wir nicht aus dem November. Lassen wir den Tod und Abschied schlimm sein – denn sie sind es immer. Der November gehört zum Kalenderjahr und tut unserer menschlichen Reife gut. Stöhnen wir etwas weniger und ermutigen uns gegenseitig, auch durch diese herausfordernde Zeit zu gehen. Unsere Gesellschaft braucht eine neue Perspektive für Abschied und das Ende des Lebens.
Herzlichst,
Elke Pfitzer