Es lebe die Freiheit!
Über die Lust und Last zu wählen

Was für eine tolle Jahreszeit – Sommer. Er bringt ein Gefühl der Freiheit mit sich. Alles abstreifen und sich neu inspirieren lassen. Davon zeugen die belebten Badeplätze und Freibäder. Intuitiv spüren wir eine gewisse Abhängigkeit im normalen Alltagstrott. So viele Meinungen, Ereignisse und Emotionen prasseln auf uns ein. Die Medien halten uns die großen Politiker und Persönlichkeiten vor Augen – und wir halten uns an sie. Wir suchen nach einem Retter aus dem Chaos der Meinungsverwirrung. Die Last, selbst alles bestimmen und entscheiden zu müssen, liegt schwer auf uns. Dabei dachten wir, dass die Aufklärung uns von der Bevormundung der Kirche befreien würde und das Leben frei gelebt und gestaltet werden kann – jeder und jede nach eigenem Gefallen. Sind wir nicht stolz darauf, unseren Lebensentwurf selbst wählen zu können?
Erst kürzlich habe ich gelesen, dass die Demokratie die neue Religion Europas ist. Wählen zu können ist ein unschätzbarer Wert. Selten erwähnt jedoch jemand, dass damit auch ein hoher Anspruch verbunden ist. Ein Freund drückte mir eben seine Qual aus: „Ich wälze alle Argumente hin und her, spüre mein Unvermögen, in die Zukunft zu schauen und soll trotzdem für meine Kinder eine Entscheidung treffen, wo sie zur Schule gehen sollen.“ Meine Frau wartet geduldig bis ich dem Urlaubsvorschlag zustimme. Aber wie weiss ich, dass es das Richtige ist? Mein Freund nimmt seine Aufgabe als Familienvater ernst. Er hat sein Leben gut aufgestellt, Volkswirtschaft studiert, eine Anstellung beim Staat bekommen und kann wahrhaft die Entscheidungen auf höchster politischer Ebene mitbeeinflussen. Er ist ein Sachverständiger auf seinem Gebiet.
Natürlich liegt ein Teil des Dilemmas an der Persönlichkeit. Dieses Beispiel zeigt, dass wir unsere Mitbürger, die nicht wählen wollen oder können, nicht einfach als ungebildet und ignorant abstempeln. Nein, als ganze Gesellschaft tragen wir die Last, zu entscheiden. Zuweilen geht der Anspruch mit einher, sich selbst neu zu erfinden. Vor allem dann, wenn sich unsere Umgebung, der Arbeitsplatz oder Freundeskreis plötzlich verändert und größere Verschiebungen in Gang kommen. Das kann in jedem Jahrzehnt unseres Lebens passieren.
Der Grund für unsere gesellschaftliche Befindlichkeit? Gefangenschaft, Einengung, Unfreiheit, Knechtschaft – Machtstrukturen im ausgehenden Mittelalter, die durch einen Glauben an einen Gott gerechtfertigt wurden. So kam im 18. Jahrhundert das Gesellschaftsgefüge ins Rutschen. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wurde auf die Fahnen geschrieben und damit in den Krieg gezogen – um andere Herrschaftsstrukturen zu errichten.
Unsere tägliche Möglichkeit, individuelle Entscheidungen zu treffen, grenzt an Überforderung, aus Lust wird Last. Gibt es einen Ausweg? Vielleicht erahnen wir neue Wege, wenn wir die alten besser verstehen. Einen kurzen Überblick dazu gibt es in diesen beiden E-Books: „Als die Menschen Götter wurden. Ein geschichtlicher Streifzug über den Versuch, Religion abzuschaffen.“ und „Retro ist In. Leben in einer globalen Welt.“
Gibt es in der Geschichte vielleicht doch irgendetwas, das für uns heute hilfreich wäre? Oder irgendjemand von dem wir lernen könnten? Wir sind sicherlich nicht allein und Hilfe ist in greifbarer Nähe. Lass mich wissen, wo der Schuh drückt und wie ich helfen kann – Pickmybrain.click
Herzlichst,
Elke Pfitzer