Wenn es ruhig wird …

Zwei Themen des Lebens werden wichtig

Waiting… Jamie Grant/CC BY 2.0

Wer hat nicht Freunde in seinem Bekanntenkreis, die auf sogenannte „Stille Wochen“ schwören. Sie planen das in einer Regelmäßigkeit, wie ihren Urlaub. Die einen im Sommer, weil sie dann auf ausgedehnten Spaziergängen ihren Gedanken freien Lauf geben können, andere bevorzugen den Winter, weil dann auch die Natur „schläft“, es draußen eher kalt, nass und windig ist, und die Wärme eines Meditationsraumes Heimat gibt. Ungeachtet der Jahreszeit geht es immer um dasselbe: das Hören.

Ich persönlich habe mich erst in den letzten Jahren diesem Abenteuer gestellt. Zu Beginn fühlte ich mich der Worte und des Gesprächs beraubt. Da waren so viele nette Menschen, die ich noch nicht kannte! Meine natürliche Tendenz in solchen Situationen ist immer, Fragen zu stellen und herauszufinden, was sie beschäftigt. Nein, es sollte mit einer kurzen Vorstellungsrunde am ersten Abend getan sein. Dann wird bis zur letzten Mahlzeit geschwiegen. Sie folgt einer Austauschrunde über die erlebte Stille. Dann fahren alle wieder heim. Vielleicht sieht man sich nie wieder …

In einer solchen mehrtägigen Stille beginnen wir unser Innenleben bewusster wahrzunehmen – und stellen vielleicht fest, wie laut es in uns ist. Nicht dass unsere Seele nicht schon lange zu uns reden würde. Meistens unterdrücken wir die leise Stimme im Trubel des Alltags. Mit unserem Verstand rechtfertigen wir dann oft, warum die eine oder andere Idee dieser leisen Stimme total abwegig und sicherlich nicht in die Realität umzusetzen ist.

Eine solche Abgeschiedenheit wird am besten mit anderen verbracht – ohne miteinander zu reden und trotzdem sich im Schweigen solidarisch wissen. Das tut gut und man fühlt sich weniger verloren. Weil die Sinne dann immer schärfer werden, erleben wir eine neue Verbindung mit unserem Inneren. Denn Tatsache ist, dass wir auf der Außenseite unserer selbst eher gelebt werden als selbst zu leben. So ist dies auch ein Freilegen der eigenen Lebenskraft, worin unser Bewusstsein seine Farbe erhält. Meiner Erfahrung nach sind es zwei Themenkomplexe, denen wir dann ins Auge blicken:

1. Was sagt mein Herz? Ist mein Verstand, meine Sprache einig mit dem, was in mir ist?

Ich habe festgestellt, dass ich zu Beginn einer solchen Stille-Zeit die Gedanken fast nicht „abstellen“ kann. Je öfter ich mich aber in Stille übe, desto leichter geht das. Ach wie schön es doch wäre, zum Herzensmenschen „umgebaut“ zu werden. Allein dieser Wunsch macht mich glücklich, weil er mir zeigt, dass ich auf dem Weg in die richtige Richtung bin.

2. Was halte ich fest? Was lasse ich los? Was sind meine tiefsten Ängste?

In der zweiten Hälfte des Lebens ist es dann auch die Auseinandersetzung mit dem Tod. Dem eigenen, aber auch der der Eltern und anderer Freunde. Damit stellt sich unweigerlich die Frage: Was ist wirklich wichtig? Was halte ich unnötigerweise fest? Welchen Ballast könnte ich ablegen, um freier und unbeschwerter zu leben? Und auf der anderen Seite: Wo darf ich nicht aufgeben, sondern trotz allen Widerwärtigkeiten, am Guten festhalten und meinen Beitrag für eine bessere Welt leisten?

Manchmal kann es ernüchternd sein, der eigenen inneren Wahrheit ins Auge zu blicken. Aber wie immer, so ist auch hier Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung.
Wer länger in einer solchen Stille-Zeit verweilt, sollte sich bestimmt jeden Tag eine halbe Stunde mit einer begleitenden Person treffen. Ein Feedback zu den eigenen Gefühlsregungen und den interpretierenden Gedanken sind hilfreich auf dem Weg zu „Lösungen“. Denn meistens bezeugen diese „Stille-Menschen“: „Solitude leads to Solutions“ – „Einsamkeit führt zu Lösungen“.

Versuchs und schreibe mit deine Erfahrung! Wenn du zu den „Stille-Menschen“ gehörst, ermutige uns Neulinge mit deinen Erlebnissen! Schreib einen Kommentar hier unten.


Elke Pfitzer