Lass dir ruhig helfen!

Der Schlüssel zu wahrem Teamwork

Wir leben in einer Kultur, in der die individuelle Leistung hoch geschätzt wird. Das wird uns in all den langen Schuljahren antrainiert und im Arbeitsleben glauben und handeln wir entsprechend. Mittlerweile ist zwar das Teamwork auf dem Vormarsch, aber weil darin die individuelle Leistung nicht „gerecht“ bewertet werden kann, wird Zusammenarbeit eher auf kleiner Flamme gehalten.

Um Hilfe bitten ist in unserem Gehirn als „kindlich“ abgespeichert. Deshalb werden wir als Erwachsene eher seltener darum bitten und gewöhnen uns dabei ab, Hilfe anzunehmen. Wir sind gut erzogen und hilfsbereit. Aber Hilfe annehmen? Ist das nicht ein Zeichen von Schwäche, dass ich mein Leben nicht im Griff habe? Meine Arbeitskollegen werden mich komisch anschauen, wenn ich um Hilfe bitte – es wäre ein Zeichen von Inkompetenz.

In dieser Hinsicht tragen wir allerlei Lügen mit uns herum. Offensichtlich haben wir Hemmungen, wenn es darum geht, Hilfe anzunehmen. Aus Untersuchungen mit älteren Menschen geht hervor, dass 65 Prozent von ihnen lieber für Hilfe bezahlen, als Verwandte oder Freunde zu fragen. Meistens geht die Angst damit einher, die Kontrolle zu verlieren, wie etwas gemacht wird. Indirekt geben wir zu, dass wir es allein nicht schaffen, obwohl wir doch gerne autonom wären. Oder es nagt das Schuldgefühl an uns, unbedingt eine Gegenleistung bringen zu müssen. Manchmal wollen wir auch einfach das Risiko nicht eingehen, dass der andere Nein sagen könnte. Würde jemand eine Bitte abweisen, setzen wir das mit der Ablehnung der eigenen Person gleich.

Geben wir es zu: Eigentlich wünschen wir uns sehnlichst, Teil einer Gruppe zu sein. Theoretisch wüssten wir, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. Jetzt ist die Praxis angesagt. Bitte heute deine Kollegin um Hilfe, einen kleinen Gefallen. Um etwas bitten, knüpft Kontakt, die Verbindung zum Umfeld wird enger. Das schafft Vertrauen. Um einen Gefallen zu bitten hat angenehme Nebenwirkungen: Es ermöglicht dem anderen, sich bedeutungsvoll zu fühlen, etwas Neues zu lernen oder sich weiterzuentwickeln.

Allerdings kämpfen wir öfters mit Sturheit und Stolz und tun uns schwer zu delegieren. Besonders häufig ist das bei Eltern und Selbständigen zu beobachten. Lass dir ruhig helfen! Damit kannst du Stress und Druck erheblich verringern. Niemanden zu brauchen erscheint vielen als die ultimative Form der Freiheit, aber ich glaube, dass man erst frei sein kann, wenn man akzeptiert, dass man abhängig von anderen ist. Das wäre die Konsequenz, wenn wir an eine solidarische Gesellschaft glauben. Sie wird durch uns menschlicher, weil wir nettere Menschen werden, uns verletzlich zeigen und damit offener für unsere Umgebung sind. Trauen wir uns! Es ist eine wirklich schöne Art des Zusammenseins.

Sicherlich gehört etwas Mut dazu, die eigenen Ängste loszuwerden und die Kontrolle abzugeben. Aber im Versuch, sich selbst zu vertrauen, lernen wir auch, anderen zu vertrauen. Fange klein an und sei überzeugt, dass du nicht der Einzige bist, der weiß, wie etwas getan werden muss. Regelmäßig kleine Bitten zu formulieren wird uns zum nahbaren Chef und Vorgesetzten machen. Das Wunder eines wahren Teamworks ist greifbar nahe.

Versuchs und schreib mir!

Herzlichst,

Elke Pfitzer