Auf dem Weg zu einem digitalen Minimalismus

Erste Überlegungen wie wir uns gesund halten können

Ob es wohl am neuen Jahr liegt, oder schon länger schlummert – immer mehr bin ich in Gespräche verwickelt, in denen es um den Handy-Gebrauch geht. Die einen finden ihn schrecklich und wollen alle Technologie verwünschen. Die anderen haben Spaß daran und lieben die Unterhaltung und das Neue. Egal in welchen Kreisen, das Thema scheint zu polarisieren. Auch nach zwei Abenden Diskussion scheint es kein anderes Ergebnis zu geben, als dass es eine „Sensibilisierung“ braucht. Naja, deshalb diskutieren wir ja. Andere Teilnehmende sind bereits von vorne herein der Veranstaltung ferngeblieben.

Persönlich bin ich mit einem Leben in zwei Welten höchst erfreut über den Fortschritt der Technologie. Ich habe Möglichkeiten, die ich vor zwanzig Jahren nicht hatte, vor allem, wenn ich nicht mehr weiter weiß, oder sonst Hilfe brauche. Jetzt ist sie griffbereit und über den halben Globus erreichbar. Das Leben hat sich verändert. Zugleich stelle ich eine Zusatzbelastung fest. Wenn ich reise, bin ich zwar nicht mehr abgeschnitten von meinen Freunden zu Hause, aber ich muss neue Gewohnheiten entwickeln: Wann schreibe ich eine Nachricht? Wann antworte ich? Neue Technologien bringen neue Fragen des Lebensstils zu Tage – das war bereits mit dem Telefon und dem Fernsehen so.

Und trotzdem ist es anders. Mein Umfeld in allen Generationen kämpft mit einem Sog und einer Anziehung dieses Supercomputers in der Hosentasche, genannt Smartphone. Die Breite und Vehemenz des Themas haben mich veranlasst, etwas tiefer zu graben. So habe ich in den letzten Monaten in den Buchläden etwas systematischer danach Ausschau gehalten, was zur Linderung der Misere angeboten wird und habe begonnen zu lesen. Tatsächlich gibt es Gedanken und Hilfen, die tiefer gehen, sogar eine positive Lösung des Problems ins Auge fassen. Nicht nur für den Umgang mit den digitalen Geräten, sondern auch, warum wir so darauf „anspringen“.

Hier ein paar erste Gedanken:

1. Wir haben es mit Psychologie und nicht mit Technologie zu tun

Mittlerweile geht es beim Umgang mit unserem Smartphone nicht mehr um Nützlichkeit, sondern um den Erhalt unserer Autonomie. Vielleicht ist es das Gefühl des Kontrollverlusts, der uns am Meisten zu schaffen macht. Wir ahnen, dass nicht nur Apps programmiert werden, sondern der Mensch. Cal Newport beschreibt in seinem Buch „Digitaler Minimalismus“ sehr anschaulich, wie das Smartphone als neuer Spielautomat funktioniert, dessen Betätigung uns abhängig macht. Sicherlich zeigen sich Verhaltensabhängigkeiten moderater als Substanzabhängigkeiten, aber dennoch sind sie schädlich. In diesem Bereich werden wir mit gezielten Gestaltungselementen der Apps zu süchtigen Nutzern. Jede reizvolle Überschrift und jeder verlockende Link, den wir anklicken, ist ein erneutes metaphorisches Betätigen des Hebens am Glückspielautomaten.

2. Den Drang nach sozialer Anerkennung können wir nicht ignorieren

Natürlich wissen wir alle, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Deshalb können wir niemals völlig ignorieren, was andere Menschen von uns denken. Das haben Hirnscans im Ruhestand festgestellt. Dann sind nämlich gewisse Regionen trotzdem aktiv. Das sogenannte „Standardnetzwerk“ ist auch aktiv, wenn wir an nichts denken: Wenn wir also eine geringe Zahl an Zielen haben, kreisen unsere Gedanken um andere, sich selbst oder beides. Das Standardnetzwerk scheint mit sozialer Wahrnehmung verbunden zu sein. So ist es gut zu wissen, dass während Stillstandzeiten unser Gehirn standardmäßig über unser Sozialleben nachdenkt. Mit dieser Tatsache braucht es noch eine ernsthaftere Strategie, um gegen die Kräfte vorzugehen, die uns zum Suchtverhalten manipulieren. Und es braucht etwas mit einem konkreten Plan, wie wir die neuen Technologien für unsere besten Ziele einsetzen können und nicht gegen sie.

3. Ein paar Tipps und Tricks genügen nicht

Unsere Anwendung der neuen Technologien lässt sich nicht oberflächlich reformieren. Verhaltensweisen sind in der Kultur so verwurzelt, von starken psychologischen Kräften gestützt. So schlägt Cal Newport vor, dass wir unser Verhältnis zur Technologie von Grund auf neu gestalten, und zwar auf der Basis unserer tief verankerten Wertvorstellungen. Jede Person braucht eine eigene Philosophie der Techniknutzung. Diese Fragen können uns anleiten:

  • Welche digitalen Tools lasse ich in mein Leben hinein und aus welchen Gründen mit welchen Einschränkungen.
  • Welches Vorbild bin ich?
  • Was bringt meine Karriere wirklich voran?
  • Wie fokussiere ich mich?
  • Wie hole ich mir bewusst Informationen – und mache gleichzeitig einen Bogen um allen anderen Mist.

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist vielfältig. Wir werden an dieser Stelle in den nächsten Wochen weitere Aspekte und konkrete Massnahmen diskutieren – bleib dran!

Bis bald,

Elke Pfitzer