Fantasie eröffnet uns neue Perspektiven

Wie das Zurücklehnen uns weiterbringen kann

Wenn uns das Gefühl festgefahren zu sein übermannt, sollten wir uns vielleicht zurücklehnen. Nicht alle Lösungen im Leben werden durch unsere Hände hervorgebracht und erst recht nicht durch Aktivität. Vielleicht ist das auch der Sinn einer Adventszeit, wenn es ruhiger werden sollte. Denn erst in der Ruhe erhält das Unvorstellbare Raum.

Vielleicht müssten wir uns genau deshalb wieder der Fantasie widmen, wie Elizabeth Chapin in ihrem TED-Talk Why Fantasy Matters uns erinnert: „Sich Dinge vorzustellen, wie sie sein könnten, hat die Menschheit dazu gebracht, das zu werden, was sie heute ist.“ Eine Gesellschaft von Denkern und Machern.

Erzählungen aller Art, erinnern uns an die Sehnsucht des Menschen nach dem Wahren, Guten und Gerechten. Auf diese Weise entwickeln wir auch unseren Wertekompass, um uns in dieser Welt besser zurechtzufinden. Fantasie öffnet den Raum der Möglichkeit: „Was ist, wenn …?“ Allein diese Frage wird uns in Gang setzen, eine neue Realität zu formen.

Das Problem heutzutage ist, dass Fantasie im Allgemeinen nicht besonders hoch angesehen ist. Sigmund Freud hatte das Eintauchen in eine Fantasiewelt mit der Unfähigkeit gleichgesetzt, sich der erwachsenen Realität zu stellen. Tagträume betrachtete er als Zeichen geistiger Rückentwicklung. Eine Meinung, die heute nicht alle Psychologen teilen. Denn die Fantasie zeigt eine Diskrepanz von innen und außen auf. Ruhelosigkeit und Sehnsucht sind die Triebfedern kreativer Vorstellungskraft. Wir verleihen im Kopf dem Gestalt, was wir uns sehnlich wünschen: einem schönen Haus am Meer oder einem Garten voller Orangenbäume oder …

Manchmal gibt es Momente, in denen Fantasie und Realität miteinander verschmelzen. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit werden wir immer wieder durch Lichter und Düfte verzaubert. Sie kurbeln das Gedankenkarussell an. Und wenn dann Kinder mit Leuchtaugen davon erzählen, wie der Nikolaus einen großen Sack mit Nüssen, Mandarinen und Süßem vor die Tür stellte, dann ist die Magie fast greifbar.

Unser Gehirn scheint jede Möglichkeit zum Tagträumen zu nutzen. Diese Art des unbewussten Denkens kann schon mal zur Lösung komplizierter Probleme beitragen. Untersuchungen zeigen sogar, dass Kinder, die viel allein waren, später im Leben mehr Kreativität und Fantasie entwickeln. Vielleicht sollten wir unsere Kinder tatsächlich wieder mehr sich selbst überlassen und es ihnen zumuten, einmal keine Beschäftigung zu haben, selbst wenn sie über Langeweile jammern. Denn gerade dann wird jene Art von Fantasie angeregt, von der sie ihr Leben lang profitieren. Denn unsere Träume nehmen uns in die Verantwortung. Gedanken drängen uns in die Aktion.

Alleinsein hat also noch nicht gleich etwas mit Einsamkeit zu tun – es kann der Weg dazu sein, die eigene Innenwelt zu entdecken. Wir können gespannt sein, wie wir als ganze Gesellschaft aus den Ausgangs- und Begegnungs-Restriktionen dieser Pandemie hervorgehen – hoffentlich mit mehr Fantasiegeschichten, die uns neue Möglichkeiten eröffnen, das Leben zu gestalten.

Herzlichst,

Elke Pfitzer