Reformation ist möglich

Was wir von Luther lernen können

Vor drei Jahren wurde der Reformation vor 500 Jahren gedacht. Unzählige Veranstaltungen widmeten sich der Geschichte von damals. Es war ermutigend zu sehen, was uns Martin Luther, Huldrich Zwingli, Johannes Calvin und all die anderen Reformatoren des 16. Jahrhunderts gezeigt haben. Die Not in der Bevölkerung war groß. Der Schrei nach Veränderung unüberhörbar. Die Unterdrückung der Bauernschicht unerträglich.

Allerdings saßen die Herrschenden fest ihren Sesseln und wollten nicht zu viel verändern. Manchmal widerstanden sie sogar sehr offen diesen „neuen“ Ideen.

–Rückblickend wissen wir, dass der Reformbedarf enorm war und es tatsächlich Jahrhunderte dauerte, bis gewisse Glaubenssätze auch beim Volk wirklich Fuß fassten und praktiziert wurden.

Leider hatten sich die Leute zwischendurch so vehement die Köpfe eingeschlagen, dass es den Stand der Philosophen hervorbrachte, die den Glauben nicht mehr als Option für eine Lebensgrundlage sahen …

Erst kürzlich besuchte ich ein Theaterstück, das im Jahr 1790 in der Studenten-WG von Hegel, Hölderlin und Schelling begann. Es war eine kritische Aufarbeitung des deutschen Idealismus und doch blieb am Ende nichts anderes als wiederum das Ideal, dass der Mensch doch noch eine bessere Welt schaffen könnte – ohne Gott. Und obwohl diese Philosophenfreunde*innen auch den dunklen Seiten der Geschichte und damit der Konsequenzen ihres Denkens ins Auge blickten, so wenig war ihnen bewusst, dass das idealistische Denken ohne Gott kein langfristig lebensbringendes Fundament bildet. Allein mit Denken und Demonstrieren wird die Welt nicht besser.

Schauen wir auf unsere momentane Situation und das Gefühl, dass wir uns als Gesellschaft festgefahren haben, dann ist genau dieser Ruf nach Reformation zu hören. Meistens erinnern wir uns der politischen Konsequenzen, vergessen aber manchmal, dass so eine Bewegung, viele viele andere Mitstreiter braucht, die Träger einer anderen Realität sind, als jene wir im Moment vorfinden.

Vor 500 Jahren war es die Aufforderung zur Mündigkeit des Einzelnen. Das bedeutete Farbe zu bekennen und den Mund aufzumachen; sich auch am Stammtisch (heute wäre es die Kaffeerunde), seine hoffnungsvolle und wegweisende Meinung zu äußern. Natürlich ist zu hoffen, dass die Meinung durch unser Leben gedeckt ist. Das wäre wohl eine weitere Interpretation von Mündigkeit: Wir sind fähig, dafür zu arbeiten, was in den Mund geführt wird. Denn einmal mehr, wird die Welt durch die Tat vieler verändert – auch bei vermeintlichem gesellschaftlichem Stillstand.

Ein weiterer Punkt lehrt uns die Reformation: Das Bild vom künftigen Zusammenleben als Familien und in der Gesellschaft hatte sich zu schärfen und auszuprägen. Nehmen wir uns in diesen Tagen auch neu Zeit, das innere Bild einer veränderten, hoffnungsbringenden Zukunft schärfen zu lassen. Das inspiriert und wir wissen dann wieder klarer, wofür wir uns einsetzen wollen.

Herzlichst,

Elke Pfitzer