Es lebe die Arbeit!
Gedanken zu einem wichtigen Gedenktag
Es lebe die Arbeit. Und trotzdem hat das menschliche Schaffen seine Grenzen. Erst recht, wenn wir uns vor Augen halten, dass das Leben verdankt ist. Es ist ein Geschenk. Aus dieser Erkenntnis heraus ist jede Feier des menschlichen Fortschritts, der eigenen Schaffenskraft, verdächtig.
Trotzdem lebt der Mythos in Asien in einer strukturierten breiten Volksmenge weiter. Es ist der Glaube, dass sich das harmonische Friedensreich hier auf Erden schaffen lässt. Das hatte sich bereits Konfuzius geträumt und Marx hat auf diesen Dualismus aufgebaut. Das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie hat das vor ein paar Jahren gezeigt. Konsequent wurden diese Ideen umgesetzt und deshalb feiert die Kommunistische Partei Chinas in dieser Woche ihre Gründung vor hundert Jahren.
Wie jeder Jahrestag wird auch hier frisch fröhlich inszeniert, damit die Welt doch endlich anerkennen möge, dass aus dem Armenhaus eine Weltnation wurde. Aber wie hatte doch eine Referentin auf einer Konferenz letztes Jahr bemerkt: „Das Gutsein-wollen macht den Menschen böse.“ Das trifft nicht nur auf Individuen zu, sondern auch auf Gemeinschaften, ja, ganze Völker.
Nur so ist zu erklären, warum im Vorfeld auf einen solchen Jahrestag die Polizei extrem nervös ist: Es darf nichts dazwischenkommen. Wer verdächtig wirkt und für einen unkonventionellen Lebensstil und andere Ansichten bekannt ist, wird immer wieder zu einem Verhör gerufen. Vielfalt gibt es in dieser Weltsicht nicht.
So bleiben Skepsis und ein großer kultureller Graben: Das Bild vom Menschen unterscheidet sich zu dem des Abendlandes um 180 Grad. Das zeigt sich erst recht in der Sicht von Arbeit. Wozu arbeiten? Das lässt sich in der Sinosphäre kurz zusammenfassen: Um zu essen und der eigenen Familie Ehre zu machen – der natürlichen und der nationalen. Wer dies nicht tut, wird beschämt und aus der Solidargemeinschaft ausgeschlossen. Die Familie ist den Asiaten heilig.
Erst letzte Woche sagte eine ältere Besucherin beim Mittagessen unter vorgehaltener Hand: „Früher redeten wir von der gelben Gefahr, ob das wohl heute wieder der Fall ist?“ Was wir zurzeit in den Kommentarspalten der Zeitungen lesen, sollten wir nicht ignorieren. Und zugleich sollten wir uns vielleicht jenseits der Polaritäten etwas tiefer mit der Philosophie aus Fernost beschäftigen – damit die Angst weicht und Europa wieder handlungsfähig wird.
Elke Pfitzer
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