Modern Times in den Schatten gestellt

Der Ruf nach einer digitalen Ethik wird lauter

Wenn ich einmal die Woche mit Kindern in den Wald gehe, dann passiert es schon einmal, dass ein Freund oder eine Freundin der Kinder dabei ist. Erst kürzlich meinte beim Mittagessen das eine Mädchen im Kindergartenalter: „Können wir nachher einen Film schauen?“ Ich war überrascht: Trotz aller geplanter Interaktion und Bewegung, fragte sie nach digitaler Unterhaltung. Das dauerte nicht lange an, aber ich habe mich gefragt, wie standhaft Eltern heutzutage bleiben müssen, um dem digitalen Sog des Bildschirms die Stirn zu bieten. Eine andere Mutter bat ihren Mann bereits letztes Jahr, er möge doch bitte das iPad verstecken und auch ihr nicht sagen, wo es ist. Die Kinder sassen zu oft, zu lange und zu nahe gebannt vor ihren Kindertrickfilmen … Was hier in den Anfängen sichtbar wird, ist eine schleichende Abhängigkeit von Screens und aller Digitalität.

Wir sind umgeben von dieser neuen Parallelwelt. Arbeiten geht nicht mehr ohne Computer – und die Freizeit schon gar nicht. Es wurde uns über hundert Jahre erzählt, dass Fortschritt die Menschheit erlöst. Tatsächlich erlebten wir im 20. Jahrhundert die Erfindung sehr vieler Alltagserleichterungen, angefangen von der Waschmaschine, dem Staubsauger, Geschirrspüler bis hin zum Auto und elektrischen Garagentor.

Was wir allerdings in den letzten Zwanzig bis Dreißig Jahren sehen ist eine Beschleunigung des Digitalen – ohne Grenzen. Sarah Spiekermann weist in ihrem Buch „Digitale Ethik“ auf diese Entwicklung hin. Als Professorin für Wirtschaftsinformatik in Wien beobachtet sie unsere Welt und die Wirtschaft in dieser Hinsicht etwas genauer und kommt zum Schluss, dass das Digitale nicht mehr nur helfende Funktion hat, oder uns etwas Unterhaltung beschert, sondern ein Eigenleben hervorgebracht hat. Mittlerweile wurde Sucht zum Geschäftsmodell erhoben. Es werden Macht- und Leistungsmotive gefördert und eine Illusion menschlicher Gesellschaft vorgegaukelt.

Wir erkennen das in uns selbst: Wie leicht, lassen wir uns unterbrechen? Ja, wir unterbrechen uns selbst. Die innere Ruhe und Konzentration scheinen nur selten lange anzuhalten. In der Folge entwickeln sich immer mehr „seichte“ Persönlichkeitsstrukturen, so Spiekermann in ihrem Buch. Dem Menschen wird eine Lebens- und Denkenergie entzogen – und wir glauben immer noch, dass dies Fortschritt wäre.

An diesem Punkt plädiert die Professorin für ein Innehalten: Ist dies noch Wertschöpfung? Oder werden wir als Menschen schleichend, heimlich ausgehöhlt? Wie sieht es aus mit dem Wissen? Oder wäre jetzt Weisheit gefragt, die uns keine Maschine geben kann? Auch die Freiheit wird thematisiert: Können wir noch das Richtige wollen?

Wer sich all diese Fragen in irgendeiner Art und Weise schon einmal gestellt hat und daran interessiert ist, der möge sich auf den Weg zu einem neuen Wertebewusstsein machen. Verstehen wir Werte überhaupt noch? Wie sieht das in meiner Firma aus? Selbst kleinere und mittlere Unternehmen wollen in diesem gigantischen Rennen mithalten. Aber: Wohin rennen sie denn? Die Agenda der ganz großen internationalen Firmen ist klar: Künstliche Intelligenz auf dem Weg in den Transhumanismus – auf Deutsch: die Abschaffung des Menschen.

Vielleicht sollten wir uns diesem Thema tatsächlich etwas näher beschäftigen.

Bis bald,

Elke Pfitzer