Stellen wir die richtigen Fragen?

Ein kleiner Leitfaden für das Gespräch, wenn es um Migration geht

Flickr/Marco Bellucci/CC BY 2.0
Question mark. Marco Bellucci/CC BY 2.0

In den letzten beiden Blogbeiträgen zum Flüchtlingsthema hatte ich am Ende dafür plädiert, dass wir uns entspannen und die Sache etwas langsamer angehen, ja, vielleicht etwas weniger Sorgenbeladen.

Trotzdem können wir nicht aus unserer Haut. Schließlich sind wir ein Volk der Dichter und Denker! – und damit alles andere als oberflächlich oder rein pragmatisch. Tatsächlich haben sich die Herausgeber des Denkermagazins „Philosophie Magazin“ in der Ausgabe 02/2016 ebenso die Frage gestellt: Was tun? 27 (!) Philosophen beantworten die drängendsten Fragen. Weil sich wahrscheinlich die wenigsten von uns dieses Magazin kaufen, habe ich mal reingeschaut. Nein, nicht wegen der Antworten, die sie geben, obwohl darin sehr viele gute Aspekte liegen. Vielmehr wegen der Fragen, die sich stellen. Drei größere Kategorien wurden dazu gebildet:

  • Unsere Verantwortung
  • Wer sind „WIR“?
  • Wie schaffen WIR das?

1. Unsere Verantwortung

Zuerst ist es tatsächlich die ethische Frage: Welche Verantwortung haben wir, angesichts des Leids, das wir sehen? Gibt es einen moralischen Impuls zur Hilfe? Wie stellen wir uns zu Menschen, die leiden? Gehört Leiden zum Leben in dieser Welt und sind wir aufgerufen, es zu minimieren? Sind wir etwas verpflichtet zu helfen? Oder fühlen wir uns einfach verbunden, und sind deshalb von innen her motiviert, den neuen Nachbarn gute Freunde zu werden. Hier kommen dann auch die Ursache der Flüchtlingswelle zur Sprache und etwas später das Thema der Solidarität – bedingt oder unbedingt?

2. Wer sind „WIR“?

Angesichts so vieler Fragen könnte man sich erschlagen vorkommen. Wie gesagt, es sind die tieferliegenden Fragen. Sie sind berechtigt, aber wir spüren ihr Gewicht. Ganz automatisch führen sie zur zweiten Kategorie: Wer sind „WIR“? Es ist die Frage der Identität, nicht nur als Individuen, sondern als deutschsprechende Völker – Deutschland, Schweiz und Österreich. Jedes mit seiner eigenen Kultur und Geschichte. Es ist die Konfrontation mit sich selbst – und das löst jede Völkerwanderung aus. Angst vor dem Anderen, vor dem Fremden. Sehr verständlich, sie gehört zunächst zum Menschen. Und es ist die Frage, wie wir diese Angst in uns behandeln – geben wir ihr nach oder tun wir was dagegen? Tatsächlich: wir haben eine Wahl! Manchmal denken wir, diese Angst wäre unser Schicksal. Nein, ist sie nicht. Wir können lernen, mit ihr umzugehen. Aber das ist ein größerer und längere Prozess, nicht nur des Individuums, sondern jetzt ganzer Völker. Mit dem Thema der Identität stellt sich dann auch die Frage nach den unverzichtbaren Werten. „Gibt es Fundamente unserer Lebensform, die nicht verhandelbar sind?“ Damit stößt das Magazin sicherlich in den Kern der ganzen Integrationsdebatte. Die Beantwortung dieser Frage wird entscheiden, wie wir das schaffen.

3. Wie schaffen WIR das?

Ein Themenkomplex wird sicher die Frage der Toleranz sein – und jene, ihrer Grenzen. Wie weit geht Gastfreundschaft? Wie sieht ein Vielvölkerstaat aus? Eigentlich besteht Deutschland bereits aus vielen Völkern. Sollten wir nicht daraus lernen? Wie lange hat es gedauert, bis wir uns als Deutsche fühlten? Gab es in diesem langen geschichtlichen Prozess auch Chancen? Natürlich, und die Grundlage bildeten gemeinsame Ereignisse, eine gemeinsame Geschichte, die jetzt eine große Erzählung ist. Das tägliche Leben wird diese neue Erzählung schaffen.

Vielleicht wirken diese Zeilen wie ein Hagelsturm. Trotzdem denke ich, diese Fragen können in den persönlichen Gesprächen in der Familie, Schule und am Arbeitsplatz eine Hilfe sein, sich nicht plakativen und rein pragmatischen Slogans anzuschließen, sondern als Volk der Dichter und Denker, der Situation auf den Grund zu gehen – so wie wir es gewohnt sind.

Herzlichst

Unterschrift Elke
Elke Pfitzer